Geschichte
Die ersten Hunde
Pseudocynodictis: Dieser kleinwüchsige Canide („Hundeartige“) lebte vor ungefähr 37 Millionen Jahren in Nordamerika. Von ihm stammte der Tomarctos ab, der am Beginn der Ahnenreihe der Gattung Canis steht, die nach Eurasien zog. Der älteste bekannte Vertreter der Caniden in der Alten Welt trat vor sechs Millionen Jahren auf. Aus seinen Abkömmlingen entwickelten sich verschiedene Arten, darunter vor 300000 Jahren der Canis lupus. Er ist der Ahnherr unseres Haushundes.
Ein Fleischfresser
Der Hund gehört zur Ordnung der Carnivoren (das Wort bedeutet Fleischfresser), einer Gruppe von Säugetieren, deren Ursprung 55 Millionen Jahre bis ins Tertiär, genauer gesagt: ins Paläozän und ins untere Eozän, zurückreicht. Aus diesem fernen Erdzeitalter stammen die ältesten fossilen Arten, die Miaeiden, wiesel- bis wolfsgroße Raubtiere mit einem charakteristischen Gebiss, das man noch bei den heutigen Carnivoren findet. Der Oberkiefer bestand aus sechs verhältnismäßig kleinen Schneidezähnen, zwei kräftigen, dolchförmigen Fangzähnen und sechs Mahlzähnen oder Molaren, der Unterkiefer aus sechs Schneidezähnen, zwei Fangzähnen, acht Vorbackenzähnen und sechs Mahlzähnen. Der erste Mahlzahn, der stärker entwickelt war als die übrigen, wurde später zum Reißzahn.
Heute umfasst die Ordnung der Carnivoren sehr verschiedene Tiere wie Hyänen, Marder und Ginsterkatzen, unter ihnen die Familie der Caniden, zu der neben den Hunden auch die Füchse, Wölfe, Schakale und die echten Windhunde zählen.
Um die Mitte des Tertiärs vor 25-30 Millionen Jahren beginnt die Stammesgeschichte der Caniden mit dem Hesperocyon, aus dem in Nordamerika die ersten Angehörigen dieser Familie hervorgingen. Von dort aus verbreiteten sich die Caniden westwärts nach Eurasien vor allem über die Beringstraße, die damals noch nicht vom Meer überflutet war. Einige kamen nach Südamerika, wo sie sich zu Füchsen weiterentwickelten.
Da der Ursprung des Hundes in die Vorgeschichte zurückreicht, kann man darüber, wie sich vor 20000 Jahren die Entwicklung zum Haushund vollzog, nur Vermutungen anstellen. In jedem Fall ist der Hund eines jener Haustiere, die ohne den Menschen nicht mehr existieren würden und die sich im Lauf der Jahrtausende immer mehr von ihren Wildvorfahren entfernt haben. Als wahrscheinlichster Stammvater der Hunde – des Bernhardiners ebenso wie des Yorkshire Terriers – gilt heute der Wolf.
Ungeahnte Zucht
Als der Mensch die ersten Wolfsjungen einfing, sie großzog und ihre Abkömmlinge nicht wieder in die freie Wildbahn entließ, nahm er, ohne es zu wissen, eine Zuchtwahl vor. Dieser Prozess, der seit Jahrtausenden ohne Unterbrechung fortgesetzt wird, betraf ursprünglich eine kleine Anzahl von Tieren. In der freien Natur gab es überall Wölfe in großer Zahl, und ihre Lebensbedingungen veränderten sich nicht. Die Domestikation oder Haustierwerdung des Wolfs wurde also dadurch erreicht, dass der Mensch einige Exemplare von ihren freilebenden Artgenossen isolierte und unter Bedingungen hielt, die sich von denen ihres gewohnten Lebensraums stark unterschieden. Gerade dank der begrenzten Anzahl der vom Menschen gezüchteten Tiere konnten deren Nachkommen leichter neue genetische Merkmale entwickeln, was eine genetische Abweichung zur Folge hatte. Gleichzeitig verloren sie bestimmte, dem Wolf eigene Merkmale, und je strenger die Auslese wurde, desto stärker unterschieden sich die neuen Anlagen von denen der ersten Zuchttiere. Wie bei allen Haustieren fand keine natürliche Auslese mehr statt, sondern der Mensch bestimmte, welche Eigenschaften vererbt werden sollten.
Wahrscheinlich wurde schon zu Beginn der Dornestikation an verschiedenen Punkten der Erde versucht, Hunde zu züchten, denn es gab bereits sehr früh mehrere Rassen. Bei dieser auf Erfahrung beruhenden Selektion, die über lange Zeiträume hinweg betrieben wurde, spielten die geographischen und klimatischen Gegebenheiten eine wesentliche Rolle. Ein anderer wichtiger Faktor waren die örtlichen Verhältnisse, in denen die Hunde domestiziert wurden. Da der Mensch schlecht angepasste Tiere eliminierte, bevor sie geschlechtsreif wurden, bildeten sich nach und nach verschiedene Typen: große, schwere Gebirgshunde, schlanke Steppenhunde, kleinwüchsige Waldhunde. jede dieser „Rassen“ verbreitete sich, und es entstanden Hunde mit unterschiedlicher Behaarung, Ohren- und Rutenform, Seh- und Hörfähigkeit usw.
Die meisten heutigen Hunderassen haben sich erst Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts konsolidiert, die Grundtypen (Hüte-, Jagd-, Wach- und Haushunde) waren jedoch im alten Ägypten und wahrscheinlich schon früher bekannt.
Paläontologische Geschichte der Hunde
Die Geschichte der Caniden beginnt auf der nördlichen Erdhalbkugel im oberen Eozän und im unteren Oligozän. Diesseits und jenseits des Atlantiks lebten zwei sehr ähnliche Tiere: in Europa der Cynodictis und in Nordamerika der Pseudocynodictis. Die europäische Form verschwand im Lauf des Oligozäns, von den höher entwickelten Ursiden (Bärenartigen) verdrängt. Aus der amerikanischen Art ging später der Hund hervor. Der Pseudocynodictis war ein kleines Tier mit sehr langem Körper, kurzen Läufen und langgestrecktem Fang. Sein Gebiss glich noch dem der Schleichkatzen. Die Entwicklung bestand vor allem darin, dass die Läufe höher wurden. Dem Pseudocynodictis folgte in Nordamerika der Mesocyon, dessen Knochengerüst bereits mehr dem eines Wolfs ähnelte. Sein Nachfahre war der Cynodesmus (unteres Miozän), der zum Stammvater des Tomarctos (mittleres und oberes Miozän) wurde. Kurz vor Beginn des Pliozäns erschien die Art Canis, die bald nach Eurasien kam; ihr ältester Vertreter in der Alten Welt, Canis cipio genannt, wurde in Spanien gefunden. Sein Alter wird auf sechs Millionen Jahre geschätzt. Über mehrere neue Arten entwickelte sich dieser bis zum heutigen Canis lupus. Das erste Exemplar dieser Art, das ausgegraben wurde, fand man in Lunel-Vieil in Südfrankreich; es ist etwa 300000 Jahre alt.
Die Zähmung des Wolfs
Für die Steinzeitmenschen, die nach der Jagd um das Feuer saßen, hatte der Anblick einiger glühender Augenpaare nichts Beunruhigendes an sich. Das Feuer schützte sie, so wie es noch heute bestimmte afrikanische und australische Eingeborenenstämme schützt, vor den Wölfen, die die Flammen herbeigelockt hatten.
In jener weit zurückliegenden Zeit lebte der Mensch vorwiegend vom Sammeln und jagen, und aus Angst, sich nicht so bald wieder satt essen zu können, schlang er möglichst viel von der Beute auf einmal in sich hinein. Doch die Tiere, die er erlegte, waren oft so groß, dass er sie nicht immer vollständig verzehren konnte. Die Reste, die am Rand des Lagers verwesten, wurden von den Wölfen oder „Halbwölfen“ zweifellos vertilgt wie es die Hyänen noch heute in Afrika tun. Manche Fachleute nehmen daher an, dass die ersten“ Hunde sich auf diese Weise mit dem Menschen anfreundeten und dass sie zunächst sein Lager bewachten. Später halfen sie ihm vielleicht bei der Jagd, wurden von ihm als Zugtier und zum Viehhüten verwendet. Trotz aller bisherigen Untersuchungen ist der Ursprung des Hundes noch immer rätselhaft.
In der Bronzezeit scheint vor allem in Nordeuropa der Canis familiaris palustris, der Torfhund, der vermutlich der Ahnherr der Spitze war, verbreitet gewesen zu sein. Die Zoologen des 18. Jahrhunderts gingen von vier Urtypen aus, eine Klassifizierung, die sich eingebürgert hat, aber angefochten wird. Danach entwickelten sich in der Bronzezeit der Canis familiaris matris optimae, Stammvater der Hütehunde, der Canis familiaris inostranzevi, der zum Urvater der aus Nordindien kommenden Molosser wurde, der Canis familiaris intermedius, eine jüngere Art, aus der sich die Bracken entwickelten, und die im Vorderen Orient entstandene älteste Rasse, der Canis lamiliaris leineri, von dem die Windhunde abstammen.
Die Ausbreitung des Hundes
Eigenartigerweise scheinen die ältesten Bewohner Westeuropas keine Hunde gehabt zu haben; zumindest sind keine bildlichen Darstellungen aus dieser frühen Zeit bekannt. Diese Menschen waren fallenstellende Jäger, die aber auch vom Sammeln lebten. Später drangen Völker aus dem Osten ein, die Pferde, Rinder und auch Hunde besaßen. Einige Fachleute sind der Meinung, dass der keltische Windhund mit dem Windhund aus den südlichen Ländern zusammentraf, der mit den Phönikern und später mit den Arabern gekommen war. Die Römer brachten dann die im Orient und in Griechenland beheimateten Kampfhunde, die Molosser, mit.
Zu diesen Hunden aus dem Osten gesellten sich andere aus dem Norden, Nachkommen des Torfhundes, von denen sich vermutlich die Spitze herleiten und die sich in den skandinavischen Ländern, in Russland, Nordjapan und Grönland verbreiteten. Obwohl diese Hunde ein warmes Klimanicht gewohnt waren und es im Süden bereits zahlreiche andere Hundearten aus dem Orient gab, setzten sie sich auch dort fest. Keine einzige Hundeart wanderte vom Süden her ein; die Hunde Nordafrikas stammten aus dem Vorderen Orient und breiteten sich mit den verschiedenen Kulturen rund um das Mittelmeer aus.
Als Kolumbus 1492 Amerika entdeckte, fand er dort Hunde vor. Sie waren wohl über die Beringstraße oder mit Indianern, die es gewagt hatten, in umgekehrter Richtung zum Sonnenlauf zu segeln, von China eingewandert. Diese chinesischen Hunde stammten wahrscheinlich aus Indien und Persien.