Wohltuender, langer Spaziergang mit viel Gelegenheit zum Nachdenken
Gestern Abend Gewitter, endlich etwas Abkühlung. Heute regnet es in Strömen. Das wollen wir ausnutzen. Wir machen uns ganz früh am Morgen, noch in der Dämmerung, zu einem langen Spaziergang auf den Weg. Tut das gut. Die Luft ist frisch, voll angenehmer Gerüche, würzig, dringt tief in die Lunge ein. Der Regen prasselt auf die Pelerine, wird vom Wind in das Gesicht getrieben, ist Labsal nach den vergangenen heißen Tagen.
Atlantis ist triefend nass, schüttelt sich immer wieder, doch es macht ihr Spaß. Endlich kann sie wieder bei kühlen Temperaturen herumtoben, und sie nutzt es aus. Im Wald jagt sie die steilen Abhänge hinab, kommt wieder hoch, springt mich an, ist wieder weg. Es ist kaum zu glauben, wie sie sich freuen kann. Dabei ist es noch dunkel, im Wald ist kaum etwas zu sehen.
Wir steigen den Berg hoch, kommen auf die die freien Wiesenflächen. Heute ist es wohl nichts mit einer Rast am Waldrand. Der Wind treibt den Regen in grauen Fronten daher, direkt auf uns zu. Doch ich bin gut angezogen, genieße dieses Wetter. Die Poren der Haut im Gesicht öffnen sich weit, nehmen die Regentropfen auf, es tut unendlich gut. Gestern ist es mir gesundheitlich wieder gar nicht gut gegangen, auch heute früh noch nicht, doch jetzt. Alles ist wie weggeblasen, ich kann tief Luft holen, fühle mich unendlich wohl.
Langsam streifen wir über abgeerntete Wiesen, vorbei an Kornfeldern, Maisfeldern, Atlantis immer auf Suche, ob sich nicht doch irgendwo irgendetwas rührt. Doch heute sind keine Schmetterlinge, Mäuse und sonstige „Todfeinde“ von ihr zu sehen, denen ist es wohl zu nass. Also hat sie alleine ihren Spaß, springt durch die Felder und über die Wiesen. Ab und zu ist ein Reh zu sehen, Krähen, Möwen, Kiebitze, doch ansonsten sind wir weit und breit alleine auf weiter Flur.
Über mir das dumpfe Dröhnen von Flugzeugtriebwerken. Unwillkürlich schaue ich hoch, denke sofort an den fürchterlichen Flugzeugzusammenstoß über dem Bodensee. An die vielen toten Kinder, die voll Freude auf einen Urlaub in Spanien unterwegs waren und nie dort ankommen durften. Hoffentlich haben sie zumindest nicht all zuviel leiden müssen. Mein Mitgefühl gilt aber besonders deren Angehörige, Mütter, Väter.
Ich muss aber auch an den Fernsehbericht von gestern Abend denken, an die Kinder, die von herumliegender nuklear verseuchter Munition fürchterlich entstellt sind, Schmerzen haben, ihr Leben lang leiden müssen. Warum nur? Was können sie dafür? Und das alles im Namen der Gerechtigkeit? Ich bin traurig, schäme mich fast dafür, wie gut es uns hier geht.
Mein Mädchen bringt mich wieder auf andere Gedanken. Sie kann nicht verstehen, dass Herrchen so still ist, in Gedanken versunken. Sie stupst mich an, will spielen, na dann wollen wir doch!
Viel zu schnell vergeht die Zeit. Fast vier Stunden sind wir unterwegs, ein herrlicher Vormittag war’s!